Geschichte

Die Entwicklung des Traarer Schützenwesens in den 1950er Jahren

Der Wiederbeginn war für die Traarer Schützen Anfang der 1950er Jahre nicht ganz einfach. Nach dem Ende des grausamen Zweiten Weltkriegs war manchen nicht danach zumute, fröhliche Feste zu feiern. Es kam noch hinzu, dass zahlreiche Familien in der Nachkriegszeit unter finanziellen Problemen litten. Auf der anderen Seite gab es bei vielen den verständlichen Wunsch, nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren endlich mal wieder zünftig zu feiern. Einige Traarer hatten zudem 1951 sowie 1952 die Schützenfeste in Bockum miterlebt und waren davon sehr angetan. So wurde an den Stammtischen in Traar intensiv darüber diskutiert, ob 1953 in Traar wieder ein Schützenfest gefeiert werden sollte.

Die Entscheidung fiel schließlich auf einer Generalversammlung am 6. April 1953, die im Saale Antons (heute: Ristorante Bella Napoli) stattfand. Der amtierende Präsident Benny Schmitz eröffnete die Versammlung, begrüßte die Erschienenen und gedachte der Verstorbenen des Vereins. Den weiteren Ablauf hielt der 1. Schriftführer Albert Groß in seinem Protokoll wie folgt fest:

„Sodann legte er in kurzen Worten den Sinn und die Bedeutung des Schützenvereins auseinander und sprach seine Bedenken, die besonders in der finanziellen und wirtschaftlichen Lage zu suchen seien, gegen die Abhaltung eines Schützenfestes aus. Nach lebhafter Debatte beschloss die Versammlung gegen 2 Stimmen, das Schützenfest an den Frühjahrskirmestagen abzuhalten.“

Nachdem Präsident Benny Schmitz aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten und zum Ehrenpräsidenten ernannt worden war, wählte die Versammlung einen neuen, sechsköpfigen Vorstand mit Präsident Heinrich Müller sen. und Vizepräsident Wilhelm Rexforth an der Spitze. Außerdem wurden sage und schreibe 45 Mitglieder in den Arbeitsausschuss gewählt.

Die Generalversammlung am 6. April 1953 legte für die aktiven Schützen auch ein Mindestalter von 18 Jahren fest. Diese Entscheidung wurde in einer weiteren Generalversammlung am 19. April 1953 allerdings revidiert. Die zweite Generalversammlung beschloss, das Alter der Aktiven von 16 bis 30 Jahren festzusetzen. Wer älter als 30 Jahre war, durfte also nicht mehr aktiv am Schützenfest teilnehmen.

Das Vogelschießen fand am 14. Mai 1953 statt. Der Vorstand, der Arbeitsausschuss und die aktiven Schützen traten um 14:00 Uhr vor dem Zentralhof Jansen (heute: Restaurant Nostalgia) an. Der frühere König Wilhelm I. (Dornbusch) schritt in Begleitung des Präsidenten und des Generals die Front ab. Hierauf marschierte der Schützenzug zum Schießplatz in der Sandgrube Rinsch (heute: Tennisanlage), wo Präsident Heinrich Müller sen. den Schießwettbewerb eröffnete. Mit dem 290. Schuss holte Wilhelm Rexforth den Vogel von der Stange und errang dadurch die Königswürde. Er ernannte Lorenz Marx zum Außenminister, Anton Schmitz zum Innenminister, Karl Spelberg zum Finanzminister und Dr. Heinz-Werner Spelberg zum Kriegsminister.

Wilhelm Rexford beim Königsschuss

Wilhelm Rexforth beim Königsschuss

Der neue Schützenkönig Wilhelm II. (Rexforth) wählte außerdem seine Frau Paula als Schützenkönigin aus. Damit herrschte erstmals in der Traarer Schützengeschichte ein Ehepaar über das Königreich Traar. Vorher waren die Königspaare stets unverheiratet gewesen.

Gleich nach der Proklamation störten die Freischärler, wie die heutigen Freien Bauern damals noch hießen, die zünftige Feier zu Ehren des neuen Königshauses. Ihr Kommandant Jakob van Bommel erklärte dem gerade erst gekürten König Wilhelm II. (Rexforth) den Krieg.

Kriegserklärung vom 14. Mai 1953

Die Kriegserklärung vom 14. Mai 1953

Am ersten Wochenende im Juni fand das Schützenfest parallel zur traditionellen Frühjahrskirmes statt. Stolze 235 aktive Schützen wirkten daran mit und feierten vier Tage lang vom 6. bis 9. Juni 1953. Die mit Abstand größten Formationen stellten die Schützen mit 66 Aktiven und die Grenadiere mit 52 Aktiven. Die übrigen aktiven Mitglieder verteilten sich einerseits auf Generalstab, Fahnenabordnung sowie Sanitätsdienst und andererseits auf sieben Gruppen, denen jeweils zwischen 10 und 16 Aktive angehörten. Es handelte sich dabei um die Schill’sche Offiziere, die Roten Husaren, die Schwarzen Husaren, die Blauen Husaren, die Ulanen, die Grünen Jäger und die Freischärler, die auch „Transval Bauern“ hießen.

Am Samstag, dem 6. Juni 1953, begannen die Feierlichkeiten mit dem Festbankett im Zelt, bei dem Oberbürgermeister Johannes Hauser die Festrede hielt und Königin Paula I. (Rexforth) krönte.

Oberbürgermeister Hauser bei der Krönung von Königin Paula I. (Rexforth)

Oberbürgermeister Hauser bei der Krönung von Königin Paula I. (Rexforth)

Nach der Treueerklärung von General Peter Küppenbender folgte eine Erklärung von Jakob van Bommel, dem Kommandanten der Freischaren. Dieser trug zwar eine schmucke Uniform, der Chronist vermerkte jedoch, dass der Burengeneral von Ehre, Freiheit und Krieg sprach und dass seine Rede „gefährlich und drohend“ wirkte.

Schuetzenfest 1953 017 Rebellengeneral vanBommel kl

Jakob van Bommel bei seiner Ansprache vor dem Thron

Am Sonntag, dem 7. Juni 1953, fand nach dem Kirchgang die Königsparade am Rathaus statt. Während die Schützen im Stechschritt vor ihrem König Wilhelm II. (Rexforth) und seinen Ministern präsentierten, überreichte der Adjutant des Rebellengenerals eine letzte Erklärung der Freischärler, die ein Ultimatum bis zum Mittag des 9. Juni 1953 enthielt.

Davon ließen sich die feiernden Traarer indes nur kurz irritieren. Sonntags und montags konnten sie die Paraden, Umzüge und Bälle ungestört durchführen. Sie genossen die Festtage und ließen sich ihre gute Laune nicht verderben.

Schuetzenfest 1953 041 Hofstaatkl

Das Königshaus vor der Abholung zum Festzug

Als die Sonne am Dienstag, dem 9. Juni 1953, ihren Höchststand erreicht hatte, beschlich die Traarer Schützen allerdings ein mulmiges Gefühl. Wegen des abgelaufenen Ultimatums der Rebellen und Gerüchten über die Errichtung von Barrikaden wurde der Königswagen doppelt bewacht. Der Festzug wurde von den Schill’schen Offizieren angeführt, die aber bei Winkmann (heute: Traarer Krug) zu den Rebellen überliefen. Nach erbitterten Barrikadenkämpfen, die auch auf den angrenzenden Wiesen fortgeführt wurden, waren die Aufständischen geschlagen. Die königstreuen Schützen nahmen sie gefangen und führten sie ab.

Im Festzelt ergaben sich unterwartete neue Probleme: Eine Abordnung von König Theo I. (Giesberts) aus dem benachbarten Verberg erschien und stellte – so der Chronist – „unverschämte Forderungen“. Die Abordnung verlas eine Erklärung des Verberger Königs, wonach dieser die vom Königreich Traar annektierten Gebiete zwischen Häusinger und Hecker, auch „Klied“ genannt, zurückforderte und die dort wohnenden Offiziere und Mannschaften für sich beanspruchte.

Nachdem König Wilhelm II. (Rexforth) diese Forderungen aus Verberg entschieden zurückgewiesen hatte, begab sich das Königshaus zum Abendessen in den Zentralhof Jansen (heute: Restaurant Nostalgia). Währenddessen brachen die gefangenen Rebellen aus, überwältigten die Wachen und nahmen den König samt Ministern gefangen. Im Festzelt rief derweil ein Schill’scher Offizier schon die Republik aus, doch schließlich willigten die Rebellen ein, das Königshaus für einen Anker Bier wieder freizulassen.

Im Festzelt verkündete daraufhin Kriegsminister Dr. Heinz-Werner Spelberg das Urteil des Kriegsgerichts. Die Schill’schen Offiziere wurden wegen Fahnenflucht zum Tode durch Erschießen verurteilt. Das Urteil war sofort zu vollstrecken. Demgegenüber kamen die Rebellen von Traar sehr glimpflich davon. Sie wurden nur mit einem Fass Bier bestraft.

Schuetzenfest 1953 089 kl

Kriegsminister Dr. Heinz-Werner Spelberg bei der Urteilsverkündung

Es folgte vor aller Augen im Zelt die gespielte Erschießung der Schill’schen Offiziere durch ein Exekutionskommando der Schützen. Nach der ersten Salve blieb mit Peter Versteegen nur noch ein Schill’scher Offizier stehen, der nach der zweiten Salve aber ebenfalls fiel.

Nach Fortsetzung des Königs-Gala-Balls verkündete der Kriegsminister auf Befehl des Königs noch zahlreiche Beförderungen von Offizieren und Mannschaften, die sich bei den Kämpfen ausgezeichnet hatten. Zum Abschluss traten die Roten Husaren noch einmal vor den Thron und überreichten dem Finanzminister einen Besen. Er sollte damit „alle Ecken und Taschen ausfegen, ob sich noch was findet, um die Verpflegung aufzubessern“. Damit ging ein glanzvolles Schützenfest zu Ende.

Auf einer Generalversammlung am 30. August 1953 im Zentralhof Jansen berichtete der 1. Kassierer Paul Esters, dass die Einnahmen des Bürgerschützenvereins 14.097,22 DM betrugen. Dem standen Ausgaben von 13.434,57 DM gegenüber, so dass ein Überschuss in Höhe von 662,65 DM verblieb. Davon sollten Schärpen für die 2. Fahne angeschafft, ein Wegekreuz an der Rather Straße instandgesetzt und die Anschaffung der Kostüme für St. Martin bezuschusst werden. Wenn danach noch etwas übrigblieb, so sollte der Rest zu gleichen Teilen an die katholische und evangelische Kirche fließen.

Die Traarer Schützen waren von dem gelungenen Schützenfest so begeistert, dass die Generalversammlung am 30. August 1953 vor der Auflösung des Vereins laut Protokoll noch beschloss, „Ostermontag 1958 eine Versammlung einzuberufen, die darüber entscheiden soll, ob das Schützenfest nicht alle fünf Jahre stattfinden soll.“ Als Einberufer der Versammlung wurden der 1. Präsident Heinrich Müller sen. und der 2. Präsident Wilhelm Rexforth bestimmt.

Um etwas mehr Vorbereitungszeit zu haben, wurde die nächste Generalversammlung auf den 24. November 1957 vorverlegt. „Gegen 17:45 Uhr eröffnete der 1. Präsident Heinrich Müller sen. die gut besuchte Versammlung im Zentralhof Jansen. Alleiniger Punkt der Tagesordnung war die Klärung der Frage, ob entgegen der Tradition das nächste Schützenfest schon im Jahre 1958 stattfinden solle. Mit großer Mehrheit bekundete die Versammlung den Willen zur Veranstaltung dieses Schützenfestes“, wie Bernd Giesbertz als 1. Schriftführer in seinem Protokoll vermerkte.

Anschließend wählte die Versammlung am 24. November 1957 noch einen neuen, achtköpfigen Vorstand mit dem 1. Präsidenten Wilhelm Rexforth und dem 2. Präsidenten Heinrich Müller jun. an der Spitze. Zudem bildete sich ein Arbeitsausschuss der zunächst aus 29 Personen bestand, später aber auf 42 Mitglieder anwuchs.

Schließlich fasste die Generalversammlung am 24. November 1957 unter der Leitung des neu gewählten Präsidenten Wilhelm Rexforth noch einstimmig den Beschluss, dass die männliche Bevölkerung Traars von 18 bis 35 Jahren aktiv mitmachen sollte. Traarer Bürger, die älter als 35 Jahre waren, durften nun als Neuerung aktiv dabei sein, sollten sich ansonsten aber nach Möglichkeit als passive Mitglieder einschreiben lassen. Alle Traarer Bürger, die sich weder aktiv noch passiv am Schützenfest beteiligten, sollten keinen Zutritt zu den Festlichkeiten im Zelt haben.

In einer weiteren Generalversammlung am 24. Januar 1958 im Saale Winkmann, zu der sage und schreibe 174 Personen erschienen waren, wurde der frühere Präsident Heinrich Müller sen. wegen seiner besonderen Verdienste einstimmig zum Ehrenpräsidenten ernannt. Die Mehrheit sprach sich nach eingehender Diskussion außerdem für den Vorschlag aus, in Traar erstmals eine Jungschützengruppe zu bilden. „Die in Frage kommenden Jugendlichen von 16 bis 18 Jahren (sollten) nur in einer besonderen Gruppe unter strenger Beachtung des Jugendschutzgesetzes mitmachen dürfen.“

Eröffnung des Vogelschießens durch Präsident Wilhelm Rexforth

Die Eröffnung des Vogelschießens durch Präsident Wilhelm Rexforth

Das Vogelschießen fand am 11. Mai 1958 statt. Die Aktiven traten um 14:00 Uhr auf der Kemmerhofstraße an, wo der alte König Wilhelm II. (Rexforth) in Begleitung des Ehrenpräsidenten Heinrich Müller sen., des Schirmherrn Dr. Ulrich Lange und des Generals Peter Küppenbender unter den Klängen des Präsentiermarschs die Front abschritt. Danach ging es mit klingendem Spiel zum Schießplatz in der alten Sandgrube auf dem Egelsberg. Dort eröffnete der Präsident das Schießen; es folgten eine Reihe von Honoratioren, der Vorstand und alle Aktiven. Nach hartem Kampf gelang es dem 2. Präsidenten Heinrich Müller jun. erst um 20:02 Uhr, mit dem 996. Schuss den Rest des Vogels abzuschießen und damit die Königswürde zu erringen. Nachdem der langanhaltende Jubel über den neuen, erst 30 Jahre alten König etwas abgeebbt war, ging es im geschlossenen Zug zum Zentralhof Jansen, wo König Heinrich I. (Müller) seine Ehefrau Christel zur Königin erwählte und folgende Minister ernannte: Innenminister Michael Berrisch, Außenminister Erich Icks, Finanzminister Willi Rütten und Kriegsminister Walter Jansen.

In der Presse wird von der Proklamation berichtet, dass „eine ganz zünftige Stimmung“ herrschte. Weiter hieß es in dem Artikel:

„Leider kam es dann aber wieder zu den ersten Unstimmigkeiten, als ausgerechnet der Kriegsminister sich zu aufrührerischen Redensarten hinreißen ließ, sich offen auf die Seite der berüchtigten Freischärler stellte und damit selbstverständlich bei dem Rebellengeneral Jakob van Bommel lebhafte Unterstützung fand.“

Nachdem die Freischärler eine Kriegserklärung übermittelt hatten, wandte sich General Peter Küppenbender pflichtgemäß an die Meuterer und legte dar, dass die Truppe dem König treu ergeben sei und jede Rebellion im Keim ersticken würde.

Beim Festbankett am Samstag, dem 31. Mai 1958, hielt Schirmherr Dr. Ulrich Lange die Festansprache und krönte Königin Christel I. (Müller).

PICT0119 kl

Schirmherr Dr. Ulrich Lange bei der Krönung von Königin Christel I. (Müller)

An der Gestaltung des Festbanketts wirkten seinerzeit auch der Männer-Gesang-Verein Traar von 1850 und der Turnverein Traar von 1910 mit. Die Sänger gaben in zwei Blöcken jeweils mehrere Lieder zum Besten. Die Turner führten Bodengymnastik sowie Barrenturnen im Zelt vor.

Im Verlaufe des Abends ergriff Jakob van Bommel, der Kommandant der rebellierenden Freischärler, unangekündigt das Wort. Er erschien plötzlich vor dem Thron und forderte im Namen der Freischärler, die erstmals keine historischen Uniformen, sondern ihre heutigen Kostüme trugen, die Abdankung von König Heinrich I. (Müller).

2 58 Rebellengeneral kl

Rebellengeneral Jakob van Bommel bei seiner angriffslustigen Rede

Der König ging auf diese Forderung jedoch nicht ein, sondern hielt seinerseits eine Ansprache und beförderte in deren Verlauf General Peter Küppenbender zum Ehrenmarschall sowie Willi Hufer zum General. Das Festbankett endete erstmals in der Vereinsgeschichte mit dem Großen Zapfenstreich, den die Orchestervereinigung Traar und das Trommlerkorps St. Tönis darboten.

Am Sonntag, dem 1. Juni 1958, standen um 08:30 Uhr das Antreten zum Kirchgang und um 09:00 Uhr das feierliche Hochamt auf dem Programm. Anschließend traten die Schützen auf der Moerser Landstraße an, wo König Heinrich I. (Müller) mit seinem Gefolge die Front abschritt. Die Aktiven unternahmen einen kleinen Umzug durch das Dorf und präsentierten ihre Waffen bei der nachfolgenden Königsparade. Diese musste jedoch unterbrochen werden, weil ein Abgesandter des Rebellengenerals dem König die „Letzte Erklärung“ überreichte, worin die „Rebellen und Freischärler“ ultimativ forderten, dass der König bis zum Mittag des 3. Juni 1958 auf ihre Erklärung vom 11. Mai 1958 reagieren sollte.

Letzte Erklärung 1958

Die letzte Erklärung vom 1. Juni 1958

Die weiteren Umzüge konnten sonntags und montags wieder ohne Unterbrechung und Störung stattfinden. Die Schützen rückten über die damals kaum bebaute Kemmerhofstraße an und holten König Heinrich I. (Müller) zu Hause ab. Der Vorstand mit Präsident Wilhelm Rexforth an der Spitze zog hinter den Königs- und Ministerkutschen zu Fuß im schwarzen Anzug und mit Zylinder geschlossen mit.

Vorstand marschiert hinter Kutsche

Der Vorstand marschiert hinter den Kutschen des Königshauses

Der große Umzug führte auch durch den Park des Schirmherrn Dr. Ulrich Lange. Er und seine Gattin kredenzten eigenhändig den durstigen Kehlen einen kühlen Trunk, wie der Chronist festgehalten hat. Dabei trauten sich die Rebellen am Sonntag und Montag nur in ziviler Kleidung ins Festzelt.

Rebellen in Zivil kl

Rebellen amüsieren sich in Zivil im Festzelt

Am Dienstag, dem 3. Juni 1958, riefen die Schill’schen Offiziere vormittags den Sanitätsdienst zu Hilfe, weil sie mehrere Krankheitsfälle zu verzeichnen hatten. Arzt und Apotheker konnten die erkrankten Offiziere „durch rauhe, aber wirksame Methoden sofort heilen“.

Ab mittags machten die Rebellen die Straßen unsicher. Sie errichteten Barrikaden und besaßen sogar die Frechheit, vor dem Hause des Generals eine eigene Parade zu veranstalten.

Rebellenparade

Die Rebellen bei ihrer eigenen Parade

Beim Festumzug am Dienstagnachmittag sicherte die Königsgarde die Kutsche mit dem Königspaar besonders stark. Doch plötzlich donnerten Kanonenschüsse über den Zug. Die genesenen Schill’schen Offiziere liefen zu den Rebellen über und griffen gemeinsam mit diesen die königstreuen Truppen an. Als Letztere die Aufständischen immer weiter zurückdrängten und die Barrikaden fielen, wurde bekannt, dass es einer kleinen Gruppe der Rebellen gelungen war, Königin Christel I. (Müller) zu rauben. Die Schützen konnten aber den größten Teil der Rebellen und die Schill’schen Offiziere gefangen nehmen und ins Festzelt abführen. Dort trotzte der Kriegsminister Walter Jansen den Rebellen ab, die Königin gegen ein angemessenes Lösegeld wieder freizulassen. Der Rebellengeneral führte die unversehrte Königin ins Zelt und übergab sie ihrem König.

Rebellengeneral geleitet Königin

Der Rebellengeneral geleitet Königin Christel I. ins Festzelt

Nach der Freilassung der Königin versöhnten sich das Königshaus und die Rebellen. Eine ganz andere Behandlung erfuhren die übergelaufenen Schill’schen Offiziere. Sie waren Abtrünnige und Verräter. Deshalb stand ihr Schicksal fest: Sie wurden zum Tode durch Erschießen verurteilt und sogleich im Festzelt zum Schein hingerichtet.

Nach diesen turbulenten Ereignissen trat wieder Ruhe ein. König Heinrich I. (Müller) dankte allen und sprach Beförderungen aus. Man blieb noch einige Stunden bei Tanz und Frohsinn beisammen. Dann endete ein sehr gelungenes Schützenfest so langsam.

Koenigshaus1958

Das Königshaus beim Schützenfest 1958

Bei der Abschlussversammlung am 13. Juli 1958 im Zentralhof Jansen blickten die Traarer Schützen mit Freunde auf ein wunderschönes Schützenfest zurück. Es war auch wirtschaftlich erfolgreich. Den Einnahmen von 15.790,31 DM standen Ausgaben von insgesamt 14.770,44 DM gegenüber, so dass ein Überschuss von 1.019,87 DM verblieb. Die Verwendung dieses Überschusses wurde besprochen: Die Aufstellung einer Bank für alte Leute im Ortszentrum wurde abgelehnt. Dagegen beschloss die Versammlung einstimmig, dem Kindergarten bis zu 150,00 DM für ein Gestell zu stiften. Außerdem sollten die aktiven Mitglieder beim Sterbefall vom Schützenverein einen Kranz bekommen. Die Restsumme des Überschusses sollte auf einem Sparkonto angelegt werden und beim nächsten Schützenfest als Anfangskapital dienen.

Darüber hinaus bestimmte die Versammlung, dass drei Schützen dafür Sorge tragen sollten, dass alljährlich eine Abordnung des Schützenvereins bei der Fronleichnamsprozession mitzog. Die Kosten für die Uniformen sollten die Beteiligten selbst tragen. Die Gründung eines dauerhaft bestehenden Schützenvereins lehnte die Versammlung erneut ab. Vielmehr trat der Vorstand nach verschiedenen Dankesreden geschlossen zurück. Der 1. Präsident Wilhelm Rexforth und im Falle seiner Verhinderung der 2. Präsident Heinrich Müller jun. wurden schließlich beauftragt, am dritten Sonntag im Oktober des Jahres 1962 die nächste Versammlung des Bürgerschützenvereins einzuberufen.

 

Das alleinige Urheberrecht dieses Beitrags liegt beim Verfasser Dr. Walter Potthast.

 

P.S. Der Verfasser dankt Günter Schmitz für die Überlassung von zwei gut illustrierten Fotoalben von den Schützenfesten 1953 und 1958.